INDEX THEMEN GLOSSAR LANDKARTE ZEITACHSE SITEMAP SUCHE HILFE QUIZ  
Zeitgeschichte Übersicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
zum Vergrößern anklicken ..
Turner beim Bundesturnfest 1930 in Innsbruck

Militarisierung der Gesellschaft: Tirol in den 1920er Jahren

Das politische System Tirols war von der Allgegenwart des katholisch-konservativen bzw. christlichsozialen Lagers, d.h. der Volkspartei und des mit ihr eng verbundenen Tiroler Bauernbundes, geprägt. Hinzu kamen ihre groß- und kleinbürgerlichen Anhänger, die im christlich-sozialen "Volksverein" und "Arbeitsbund" erfasst waren. Mit Josef Schraffl (1917-1922) und Franz Stumpf (1922-1934) stellte die Volkspartei die Landeshauptleute sowie maßgebende Mitglieder der Landesregierung. Bei den Urnengängen (1919, 1921, 1925 und 1929) hatte sie immer klar die Nase vorne. Ausgehend von ihrer rechtskonservativen Einstellung befürwortete sie offiziell die Republik als Staats- und die Demokratie als Regierungsform, wobei sie die Sonderstellung Tirols in Österreich betonte und sich gegen den von Wien aus praktizierten Zentralismus aussprach. Dabei wandte sie sich heftig gegen den von der Sozialdemokratie programmatisch vertretenen Austromarxismus und blieb von Antisemitismus nicht frei.

Die Tiroler Sozialdemokraten konnten sich nach einer kurzen Aufschwungsphase nach 1918/19 nicht weiter profilieren. In einigen Gemeinden des Unterinntals stellten sie zwar die Bürgermeister. Fehlendes Industriearbeiterpotential, mangelnde Führungspersönlichkeiten und ein auf dem Land nur schwach vertretener Republikanischer Schutzbund, der aus den städtischen Volkswehren hervorgegangen war, kennzeichneten jedoch die Permanenz der Schwäche linker Kräfte, während die 1919 gegründete KPÖ völlig marginal blieb. Im Landtag waren für die Zeit von 1918 bis 1934 nur Mandate für Christlichsoziale, Sozialdemokraten und Großdeutsche und lokale bürgerliche Gruppierungen zur Verfügung gestanden.

Die Militarisierung der Gesellschaft ist ein weiteres Merkmal. Unter Führung des Innsbrucker Rechtsanwalts Richard Steidle konnte die Tiroler Heimatwehr aufgrund kommunistischer Umsturzversuche in Bayern und Ungarn nach Kriegsende, latenter Bürgerkriegsgefahr (vor allem im Osten Österreichs) und dank italienischer Hilfeleistungen in den 1920er Jahren ihre führende Rolle behaupten, während der 1923 gegründete Republikanische Schutzbund kaum eine Basis fand und von der Landesregierung abgelehnt wurde. Der Verkehrsstreik der Linkskräfte im Zusammenhang mit dem Protest gegen das Schattendorfer Urteil (erfolgter Freispruch nach Tötung eines Mitglieds des Republikanischen Schutzbundes) und dem Brand des Justizpalastes am 15. Juli 1927 konnte in Tirol durch Bundeswehr, Gendarmerie, Heimatwehr und Technische Nothilfe problemlos abgewendet werden. Die immer stärker werdende finanzielle Unterstützung der Heimatwehr durch den italienischen Faschismus führte zur Zurückstellung des Südtirolanliegens und zur Entfremdung mit der Landesregierung. Hinzu kam die Ablehnung des Parlamentarismus durch die Heimwehrbewegung, die im Korneuburger Gelöbnis vom 18. Mai 1930 gipfelte.

In Tirol herrschte in den Nachkriegsjahren Hunger, Wohnungsnot und Inflation. Der Schilling löste die Krone ab. Erst mit Bundeskanzler Ignaz Seipels rigidem Sparkurs stabilisierte sich die Lage. Der einsetzende Fremdenverkehr, der Ausbau der Wasserkraft und die Textilindustrie trugen dann zur ökonomischen Belebung bei.

Zurück ..